Bergtouren in der Hohen Tatra
Unterwegs im kleinsten Hochgebirge der Welt
Breite: 49,17962° N
Länge: 20,08816° W
Gerlachovský Stit (2654,4 m / Slowakei)
Breite: 49,16404° N
Länge: 20,13404° W
Breite: 49,17527° N
Länge: 20,14547° W
- gute Berg- oder Trekkingschuhe
- Funktionsbekleidung
- Klettergurt
- Kopfbedeckung, Sonnenbrille
- Fleece- oder Softshell-Jacke
- Tages-Rucksack (ca. 35 - 40 Liter)
- Sonnenschutzmittel
1. Tag - 03.10.2007 Anfahrt
Nach der Anfahrt, die uns über den höchsten Berg Ungarns führte, erreichen mein Kollege Heiko und ich die Hohe Tatra am frühen Abend. Mit unserer Vorreservierung beim Berghotel Sliezky Dom (1670 m) besaβen wir die Erlaubnis zum Befahren der Zufahrtstrasse durch den Nationalpark zum Hotel. Dieses entpuppte sich von auβen als schmuckloser Zweckbau, im Inneren bot sich uns aber eine gemütliche Einrichtung mit modern renovierten Zimmern.
2. Tag - 04.10.2007 Besteigung des Rysy (2499 m)
Unser Ziel ist der Rysy (2499 m). Auch wenn es sich nur um den nordwestlichen Vorgipfel des auf slowakischem Grund liegenden Hauptgipfel des Rysy (2503 m) handelt, ist er doch der höchste Punkt unseres Nachbarlandes Polen. Nach dem Verlassen von Sliezky Dom fahren wir auf der Tatra Höhenstraβe (Nr. 537) durch dichte Wolken bis zum Ort Strbské Pleso nach Westen. Im Stadtzentrum parkend, beginnen wir den gut markierten Aufstieg. Wir verlassen nach kurzer Zeit den sich von den sozialistischen Betonbausünden erholenden Ferienort. Ein sehr gut ausgebauter Pfad (rote Markierung) leitet in etwa 70 Minuten an der westlichen Seite des Tales Menguskovká Dolina in die Nähe des Karsees Popradske Pleso. Kurz vor diesem wird die Zufahrtstrasse erreicht, von der sofort nach Norden der ausgeschilderte Weg zum Rysy abzweigt (nun grüne Markierung). Durch lichter werdenden Wald und Latschengestrüpp geht es das Tal empor. Jetzt endlich durchdringt die Sonne den bisherigen Wolkenschleier. Nach etwa 20 Minuten biegt - jetzt rot markiert - rechts der Rysyweg ab.
Nun beginnt der eigentliche Aufstieg: In steiler werdenden Serpentinen wird Höhe gewonnen und der schöne Karsee Zabie plesá (1919 m) erreicht. Der Weg führt auf einen Felsriegel zu. Steil und schmal geht es weiter. Die ausgesetzten Stellen werden auf etwa 75 m Länge zusätzlich mit Ketten gesichert. Weitere Serpentinen folgen. Am oberen Ende des Felsriegels wird erstmals die Berghütte "Chata pod Rysmi (2250 m) sichtbar, die sich nur wenig von den umgebenden Felsmassen abhebt. Das schwierigste ist geschafft! An der Hütte vorbei geht der Weg in gleichmäβiger Steigung - ein Schneefeld querend - in einen Passeinschnitt, von dem erstmals weite Blicke in den östlichen Bereich der Hohen Tatra möglich sind. Sehr gut markiert wendet sich der Pfad wieder nach Norden. Einige Serpentinen, dann steigt man links knapp unterhalb der Gratlinie weiter. Zum Schluβ etwas steiler wird in unschwierigem Aufstieg die Grenze nach Polen überschritten und der polnische Gipfel (2499 m) des Rysy betreten. Eine beeindruckende Rundumsicht über die Hohe Tatra belohnt uns für die 210 Minuten Aufstieg. Imposant ist der Tiefblick in die tief unter uns liegenden Seen auf der polnischen Nordseite des Berges.
Der Gipfelaufenthalt wird auch für die Querung zum 30 Meter entfernten und 4 Meter höheren slowakischen Hauptgipfel genutzt. Von hier sieht man die beindruckenden Wände, mit der der "polnische" Rysy in die Tiefe abbricht.
Wie eine groβe Insel liegt die Hohe Tatra im Wolkenmeer, welches die umliegenden Länder Polen und Slowakei dicht überderdeckt.
Nach etwa 40 Minuten Rast beginnen wir den Rückweg. Entlang des Aufstiegweges geht es zurück. Es ist jetzt deutlich wärmer als am Vormittag und immer noch schwitzen hier Bergwanderer beim Aufstieg. Wir waren ziemlich die ersten auf dem Gipfel. Der weitere Abstieg verläuft ereignislos. Wir erreichen gegen 15:00 Uhr, nach 7 Stunden Wanderung, wieder unser Auto. Dann geht es zurück zum Berghotel Sliezky Dom.
(1170 HM↑↓)
3. Tag - 05.10.2007 Besteigung des Gerlachovský Stit (2654,4 m)
Um 07:00 Uhr treffen wir Pavel unseren Bergführer. 71 Jahre, seit 47 Jahren Bergführer und topfit. Immer noch als Bergführer bei 7000er Expeditionen tätig hat er schon über 1000 Aufstiege auf den Gerlachovský Stit hinter sich. Nach einem schnellen Frühstück und Einpacken der sicherheitshalber mitzunehmenden Steigeisen und Eispickel gehen wir gegen 07:30 Uhr los.
Der Aufstieg soll über die Velicka proba erfolgen: Zuerst folgen wir dem normalen Wanderweg hinein in das Tal "Velicka dolina". In knapp über 2000 Meter Höhe verlassen wir den Weg nach Westen und streben auf einer schwachen Steigspur den Ostabstürzen des Gerlachovský Stit zu. Am Fuβ des Berges wird es deutlich steiler. In etwa 2200 Meter Höhe seilen wir uns an. Teilweise mit Eisenklammern und Stiften versehen, wird eine Steilstufe in leichter Kletterei überwunden. Danach kommen wir wieder in gutes Gehgelände. Wir steigen weiter und erreichen nach 2 Stunden in etwa 2400 Meter Höhe einen Einschnitt im Gipfelgrat. Wir wechseln auf die Westseite des Berges. Es beginnt eine längere Querung nach Norden. In stetem Auf und Ab, insgesamt leicht ansteigend geht es angeseilt in leichter Kletterei über festen Fels weiter. Mehrere steile Schneerinnen querend erreichen wir ein breites, aus dem Talgrund emporziehendes Coloir. Teils mit Schnee gefüllt steigen wir dieses empor und erreichen in leichter Kletterei über einige Felsen den Gipfel. Ein kleines Gipfelkreuz ziert die Spitze des höchsten Punktes der Slowakei, den wir 3 Stunden nach Aufbruch erreichen. Für heute sind wir die ersten. Über den Normalweg von Westen hören wir einige Seilschaften unter uns aufsteigen.
Morgens zwar kühl, ist das Wetter beim Aufstieg schon deutlich schlechter geworden. Immer wieder verschwinden die umliegenden Gipfel in Wolken. Ein paar Gipfelfotos, dann denkt Pavel an Abstieg. Wir wollen den Berg auf der Normalroute (Batizovska proba) nach Westen herunter. Durch das Coloir klettern wir bis zum Beginn einer langen Schneerinne ab. Über die Schneerinne zügig absteigend erreichen wir einige Steilstufen. Diese klettern wir im 2. Schwierigkeitsgrad schnell herab. Wir erreichen leichteres Gelände. Immer noch kommen uns hier Seilschaften entgegen, die trotz des sch verschlechternden Wetters noch aufsteigen wollen. Es beginnt leicht zu nieseln. Im Talgrund der "Batizovska dolina" verstauen wir Seil und Sitzgurte. Danach steigen wir weiter ab zum klaren Wasser des Batizovska pleso. Hier erreichen wir die "Tatranská magistrala", einen Höhenweg, der entlang der Südflanken der Hohen Tatra verläuft. In mittlerweile leichtem Regen gehen wir in Richtung Hotel. Kurz vor dem Sliezky Dom fängt es stark an zu regnen. Die Steinplatten auf dem Weg werden rutschig, aber nur wenige Minuten später erreichen wir unsere Unterkunft nach 6 Stunden Gehzeit.
Wir verabschieden uns von Pavel und geniessen die Annehmlichkeiten unserer Unterkunft.
(980 HM↑↓)
4. Tag - 06.10.2007 Besteigung des Východná Vysocká (2428,6 m)
Nebel und Wolken! Eigentlich wollten wir noch eine groβe Abschluβtour durchführen. Aber bei diesem Wetter macht dies keinen Sinn. Die Sicht beträgt kaum 100 m! Aber zumindest bis zum Talende der "Velická dolina" wollen wir gehen. Über den vom gestrigen Tag bekannten Weg gehen wir das Tal empor. Zumindest trocken weht über 2000m Höhe ein scharfer Wind, der die Wolken vor sich her treibt. Manchmal reiβt der Blick zum Gerlachovský Stit auf: Eine Schneeauflage hat das Gesicht des Berges seit gestern deutlich verändert.
Im Talende kommen wir an eine etwa 30m hohe Steilstufe. Teilweise mit Ketten versichert strebt der schmale Pfad - nunmehr mit Schnee bedeckt - nach oben. Wir erreichen den dick vereisten Paβ Polský hreben in 2200 m Höhe. Die Sicht beträgt etwa 15 Meter, selbst die im Windschatten der Felsen stehende Gämse kann uns erst auf diese Entfernung sehen.
Trotz der stark vereisten Schneeauflage wollen wir zumindest versuchen, den Gipfel der Východná Vysocká zu erreichen. Anfangs durch steiles Felsgelände und mit Ketten versichert steigt die kaum erkennbare Pfadspur auf der rechten Seite des Westgrates in den Wolken an.
Urplötzlich wird es heller: wir nähern uns der Wolkenobergrenze. Dann stehen wir in gleiβendem Sonnenlicht. Die umliegenden Gipfel - alle frisch verschneit - leuchten zwischen den Wolkenfetzen auf. Noch etwa 30 Höhenmeter, dann stehen wir am Gipfel der Východná Vysocká (2428 m). Die Rundumsicht ist überwältigend. Eine winterliche Hochgebirgseinsamkeit in der die ziehenden Wolken immer neue Lichtstimmungen schaffen. Fast 30 Minuten geniessen wir dieses Schauspiel ehe wir den Abstieg in die Wolkendecke beginnen.
Auf der von uns getretenen Spur kommen uns jetzt erste Bergsteiger entgegen, deren Stimmung hebt sich deutlich als Die von uns erfahren, das es am Gipfel sonnig ist.
Langsam wandern wir nun zum Sliezky Dom zurück, welches wir nach 5 Stunden erreichen. Dies war die letzte unserer 3 Tatratouren, wir haben das kleinste Hochgebirge der Welt sehr eindrucksvoll mit den verschiedensten Wetterstimmungen erlebt.
(780 HM↑↓)
5. Tag - 07.10.2007 Heimfahrt
Am Morgen ist es sehr windig und kalt. Wieder treffen wir unseren Bergführer Pavel in der Hotellobby: Während er auf die nächsten Gipfelaspiranten wartet, bringen wir unser Gepäck ins Auto. Nach einem kurzen Frühstück beginnt die Heimfahrt. Es geht entlang des Tatra-Gebirgszuges nach Westen. Entlang des Fluβtales der Vah. Nach dem Erreichen der A61 (E75) schwenkt die Autobahn durch flacher werdende Höhenzüge nach Westen Richtung Hauptstadt Bratislava. Kurz hinter der Stadt passieren wir die slowakisch-österreichische Grenze. Mit überraschend wenig Verkehr geht es zügig weiter Richtung Deutschland. Erst kurz vor dem Fahrtende geraten wir in dichten Wochenendverkehr. Nach etwa 10 Stunden Fahrzeit ist der Ausflug in die Hohe Tatra endgültig beendet.
Letzte Aktualisierung am 11.01.2023 18:02:24 Uhr
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