Pico de Orizaba (5636 m) - Der höchste Berg von Mexiko
Citlatepetl ist der ursprüngliche Name des dritthöchsten Berges von Nordamerika
Breite: 19.02190° N
Länge: 97.26756° W
02./03.12.2013 - Pico de Orizaba
Nachdem ich zur Akklimatisation bereits 2 Nächte im Basecamp Piedras Grande verbracht und kleinere Eingehtouren unternommen hatte, verbrachte ich den heutigen Tag wieder im Bergsteigerhostel in der kleinen Stadt Tlachichuca. Meribel und Joaquin Limon Canchola betreiben hier neben dem Hostel Citlaltepetl auch einen Bergsteigerservice, der mittlerweile in Bergsteigerkreisen bekannt ist.
Meribel organisierte heute den von mir angefragten Bergführer, den ich während der Fahrt zum Basecamp treffen soll. So sitze ich jetzt mit Joaquin im alten Dodge 4WD und fahre durch die stockdunkle Nacht. Wir bleiben an einer Strasseneinmündung stehen und warten. Einige Minuten später erscheint ein weiteres Auto und Bergführer Juan Mendoza steigt in unseren Wagen um. Juan ist ein junger mexikanischer Bergführer, der während der zwischen Oktober und März dauernden Bergsaison hauptberuflich als Bergführer arbeitet, in der übrigen Zeit des Jahres betreibt er ein Internetcafe.
Weiter geht es Richtung Basecamp. In Michel Hidalgo, der höchsten Ansiedlung Nordamerikas steigt noch ein Jugendlicher zu, der während unserer Tour auf unsere im Basecamp verbleibende Ausrüstung achtet.
Nach etwa 2 Stunden langsamer und holpriger Fahrt erreichen wir gegen 22:00 Uhr die unbewirtschaftete Hütte von Piedras Grande (4230 m), dem Ausgangspunkt für den Normalanstieg auf den Pico de Orizaba. Schnell wird unsere Ausrüstung aus dem Auto geholt und ein Kocher in der Hütte aufgebaut. Nach einem heissen Kakao geht es für 3 Stunden in den Schlafsack.
Juan weckt mich um 01:00 Uhr. Ein Sandwich und 2 Tassen Kaffee später wird der fertig gepackte
Rucksack geschultert. Um 01:50 Uhr beginnen wir im Schein der Stirnlampen den Aufstieg:
In anfangs gemächlicher Steigung folgen wir einem betonierten, aber nicht mehr funktionsfähigem Aquedukt. Nach etwa 10
Minuten verlassen wir dieses und steigen in kurzen Serpentinen rechts den Hang empor, wo wir nach wenigen Minuten ein
zweites Aquedukt erreichen. Diesem folgen wir nur wenige Meter, bevor es dann in ausgeprägten Serpentinen den Moränenhang empor
geht. Juan legt ein angenehmes Tempo vor, dem ich ohne Probleme folgen kann. Sicherlich ein Resultat der vorher
durchgeführten Akklimatisation.
Bei etwa 4750 Meter erreichen wir den von mir zwei Tage vorher ohne Steigeisen erreichten Umkehrpunkt. Kurz danach legen wir bei einem ersten Stop die Steigeisen an und Juan nimmt mich ans Seil. Das Gelände steilt sich auf. Wir befinden uns im Bereich des Labyrinths und der Headwall, welche steil zum Gletscher ansteigt. In engen Serpentinen folgt die Steigspur einigen steilen Rampen entlang von Felsabstürzen. In der Dunkelheit ist die Ausgesetztheit dieses Bereiches für mich nicht zu beurteilen. Auf dem hart überfirnten Schnee ist es mit den Steigeisen aber ein problemloses Gehen. Nach weiteren 10 Minuten wird das Gelände wieder flacher und offener, wir haben den unteren Bereich des Jamapa-Gletschers erreicht.
"Almost five thousend ...", mit diesen Worten bleibt Juan wenig später stehen. Zeit für eine erste Rast. ich fühle mich wohl, wir sind in etwa 90 Minuten die etwa 800 Höhenmeter vom Basecamp hier hoch gestiegen. Ein paar Schluck aus der Trinkflasche und ein Müsliriegel, dann gehen wir weiter.
Der Gletscher ist im unteren Teil nur wenig ansteigend, so dass es hier noch nach einer gemütlichen Gletscherwanderung aussieht.
Wir gehen einige Minuten auf den in der Dunkelheit nur schwach erkennbaren Sattel zwischen dem Nebengipfel Sarcófago (5140 m) und
dem Hauptgipfel des Pico de Orizaba (5636 m) zu. In einem leichten Linksbogen zielt die Anstiegsroute dann direkt auf
die Gipfelkuppe des höchsten Berges von Mexiko. Der Gletscher steilt sich immer mehr auf. Auf der trockenen und harten
Eisoberfläche greifen die Steigeisen bei sauberer Gehtechnik optimal, so dass wir gut an Höhe gewinnen. Bei etwa 5300 Metern
merke ich erstmals die mittlerweile große Höhe:
Wir werden langsamer und ich stelle auf zwei Atemzüge pro Schritt um. In jeweils 30 - 50 Meter langen Serpentinen geht es an
den eisigen Vulkanflanken empor. Es wird langsam heller, erste Konturen der umliegenden Landschaft werden erkannbar. Die
Tiefebenen rings um den Berg sind noch in Dunkelheit gehüllt, aus der die Lichter von Dörfern und Städten empor funkeln.
Das Wetter ist ideal, kein Wolke am Himmel und absolute Windstille. Schweigend steigen wir weiter. Ich konzentriere mich
auf meinen Steigrhytmus und vermeide einen Blick in Richtung Gipfel.
Keuchend bleibe ich in einer Serpentinenkehre stehen und teile Juan mit, dass ich eine Minute zum Ausschnaufen benötige. Die Flanke hat sich stark aufgesteilt, jetzt ist ein angeseiltes Gehen und eine sichere Steigeisen- und Pickeltehnik unumgänglich. Der Horizont verfärbt sich wenige Minuten vor Sonnenaufgang und leuchtet in einem goldigen Schimmer. Wir steigen weiter. Ich zähle jetzt immer hundert Schritte. Alle 200 - 300 Schritte bleiben wir eine Minute stehen. Jetzt ist es richtig anstrengend geworden. Trotzdem fühle ich mich wohl und bin überzeugt den Gipfel zu erreichen.
"Only 20 Minutes to the summit ..." Juans Stimme unterbricht mein Schritte zählen. Erstmals schaue ich hoch. Der Kraterrand scheint greifbar nahe. Der Höhenmesser zeigt über 5500 Meter an. Wir gehen die letzten kurzen Serpentinen des Aufstiegs an. Als die Serpentinen enden meint Juan, dass wir in 2 Minuten oben sind. Noch kann ich den eigentlichen Gipfel nicht sehen.
Plötzlich erreichen wir den Kraterrand. Vor mir geht es so steil in die Tiefe, dass ich den Kraterboden nicht sehen kann. Die gegenüberliegende Kraterwand fällt ebenfalls senkrecht ab. Wir wenden uns nach rechts und wandern gemächlich am Kraterrand entlang. Nach etwa 30 Metern schauen aus einer kleinen Firnkuppe die markanten Eisenreste des ehemaligen Gipfelkreuzes heraus. Um 07:50 Uhr haben wir den Gipfel des Pico de Orizaba (5636 m) erreicht.
Die Fernsicht ist phantastisch. Im Westen sind Popocatépetl (5410 m) und Izztaciuatl (5230 m) zu sehen. Im Osten ist der Golf von Mexiko zu erahnen. Der Schatten des Pico de Orizaba zeigt genau auf Tlachichuca. Es ist genug Zeit für die Gipfelrast. Juan will erst um 09:00 Uhr den Abstieg beginnen.
Gipfelvideo:
Nach einiger Zeit treffen noch zwei Mexikaner am Gipfel ein, die aber bereits nach wenigen Minuten und einigen Fotos den Abstieg beginnen.
Langsam verspeise ich mein Gipfelsandwich mit der Aussicht auf die umliegende Landschaft, immer wieder schiesse ich einige Fotos. Viel zu schnell verrinnt die Zeit am Gipfel.
Erst als wir den Gipfel verlassen kommen uns noch zwei Bergsteiger entgegen. Ein amerikanisches Brüderpaar, welches ich vor zwei Tagen kennen gelernt habe, erreicht den Gipfel nach einem Aufstieg von ihrem Zelt in 4700 Meter Höhe.
In direkter Falllinie steigen wir langsam die Gipfelflanke herunter. Wir haben genug Zeit für den Abstieg, so dass wir immer wieder kurz innehalten und den Blick über die im Morgenlicht leuchtenden Tiefebenen Mexikos schweifen lassen. Kurz vor dem Verlassen des Jamapa-Gletschers legen wir nochmals eine Rast ein.
Der anschliessende Abstieg über die Headwall ist dann doch einfacher als gedacht. In dem griffigen Firn lassen sich die steilen Bänder und Rampen problemlos absteigen. Auf etwa 4700 Metern Höhe legen wir die Steigeisen ab und Juan verstaut auch das Seil im Rucksack. Die letzten 500 Höhenmeter Abstieg über den vertrauten Pfad in der Moränenlandschaft bereiten keine Schwierigkeiten mehr. Um 12:10 Uhr erreichen wir wieder die Basislagerhütte Piedras Grande.
Nach einem Lunch aus frischen Tortillas legt sich Juan in den Schlafsack. Er hat in der folgenden Nacht neue Gäste zum Gipfel zu führen.
Joaquin erscheint gegen 15:00 Uhr. Nach der Verabschiedung von Juan folgt die zwei stündige Fahrt zurück nach Tlachichuca, wo ich pünktlich zum Dinner im Hostel eintreffe.
Ein aussergewöhnlich schöner Hochtourentag geht zu Ende.
- Hochtourenschuhe
- Steigeisen
- Eispickel
- Teleskopstöcke
- "Westalpenbekleidung"
- Tages-Rucksack (ca. 35 Liter)
- Sonnenschutzmittel
- Sturzgefahr im steilen Gletscherbereich
- Alle Gefahren aufgrund mangelnder Höhenanpassung
Joaquin Canchola Limon
3 Ponente No. 3
75050 Tlachichuca (Puebla, Mexico)
Web: www.summitorizaba.com
mail: cancholashouse(at)yahoo.com.mx
Letzte Aktualisierung am 26.11.2023 17:22:31 Uhr
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