Schlegeis 131 - Der Weg durch die Mauer
Ein neuer Klettersteig durch die Staumauer des Schlegeisspeichers20.08.2016 Schlegeis 131
Knapp 2 Monate ist der Klettersteig alt, als meine Bergkameradin Monika und ich mit seiner Begehung ein Bergwochenende in den Zillertaler Alpen einläuten wollen. Nach etwa 2-stündiger Anfahrt erreichen wir - noch vor der Masse des Ferien- und Ausflugsverkehrs - die Parkplätze oberhalb der Staumauer des Schlegeisspeichers.
Von hier gilt leichtes Gepäck: Da die Tour nur etwa eine Stunde dauert und man wieder zum Ausgangspunkt zurückkehrt bleibt der Tourenrucksack im Auto; wir legen nur unsere Klettersteigausrüstung an. Direkt an der Mauerkrone beginnt der ausgeschilderte Abstieg zum Fuße der Staumauer, welcher in wenigen Minuten über einige Serpentinen durch lichten Baumbestand erreicht wird.
Ein eigentümlicher Anblick: Statt vor einer wilden Felswand oder eines Berggrates stehen wir vor einer konkaven Betonwand. Es gibt keine natürlichen Routenhinweise wie Felsbänder oder Kamine. Einzig die Linie der Eisenkrampen und des Stahlseiles zeigen den weiteren Weg zurück nach oben.
Nach ein paar Augenblicken beginnen wir den Aufstieg. Die ersten Stahlbügel sind relativ weit auseinander, wahrscheinlich als Einstiegshindernis für Kinder. Zu Beginn geht es senkrecht empor. Die Betonwand legt sich anfangs noch etwas nach hinten, je weiter wir empor steigen, desto mehr nähert sich die Wand der senkrechten an. Das Auge findet keinen Halt in der nahezu strukturlosen Fläche. Diese ungewöhliche Perspektive und die absolute Ausgesetztheit sorgen trotz der geringen technischen Schwierigkeit für einen reizvollen Thrill.
Nach dem ersten Anstiegsteil quert der Klettersteig perfekt versichert nach rechts. In sachter Steigung wird eine erste Rastplattform erreicht. Die - insgesamt 2 - Rastplattformen stellen auch die einzigen sinnvollen Möglichkeiten dar, wo schnellere Klettersteiggeher überholen sollten. Von hier haben wir eine interessante Perspektive in den unter uns liegenden "Zamser Grund".
Weiter steigen wir, unterbrochen von kleineren senkrechten Steigpassagen, gleichmäßig ansteigend nach rechts weiter. An der zweiten Rastplattform besteht die Möglichkeit zum direkten senkrecht Ausstieg. Der dann deutlich überhängend werdende Klettersteig verlangt dann mehr Armkraft. Wir steigen weiter nach rechts oben. Die Schwierigkeiten bleiben moderat. Nach etwa 40 Minuten erreichen wir die zweite Ausstiegsmöglichkeit. Kurz und ausgesetzt geht es auf die Aluminiumplattform, welche mit einer Kippfunktion ausgestattet ist, um einen unfreiwilligen Abstieg von der Mauerkrone aus zu vermeiden. Wenige Minuten später sind wir wieder am Parkplatz und wechseln die Klettersteigausrüstung gegen einen Wanderrucksack aus. Zwar können wir noch zum schönen Friesenberghaus (2498 m) aufsteigen. Die für den nächsten Tag geplante Besteigung des Hohen Rifflers (3231 m) muss dann allerdings wegen Schlechtwetter ausfallen.
Keine Berg- oder Klettersteigtour im klassischen Sinn. Aber der technisch unschwierige Durchstieg durch die (Stau)mauer ist ein besonderes Erlebnis.
Letzte Aktualisierung am 29.09.2023 16:29:33 Uhr
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